Die Landschaft meines Herkunftslandes Baden-Württemberg wird von Streuobstwiesen geprägt. In den Monaten April und Mai, der Zeit der Obstbaumblüte, überzieht das Zartrosa der Apfelblüten und das Weiß der Birnen-, Zwetschgen- und Kirschenblüten usw. das sanfthügelige Land mit einem zauberhaften Blütenflor, der dem Betrachter die Seele öffnet. Mit einer Anbaufläche von ca. 180.000 ha und einem Baumbestand von etwas über 11 Millionen liegen 45 % der insgesamt rund 400000 ha Streuobstwiesen Deutschlands in Baden-Württemberg, dem Ursprungsland des Steuobstanbaues. (Im Intensiv-Obstbau nimmt Baden-Württemberg mit etwas über 15000 ha den Spitzenplatz ein, gefolgt von Niedersachsen mit rd. 8000 ha Anbaufläche!) Kerngebiet der Streuobstwirtschaft in Württemberg ist die Region "Mittlerer Neckar" (Stuttgart) mit dem Stadtkreis Stuttgart und den Landkreisen Böblingen, Esslingen, Göppingen, Ludwigsburg (in dem ich meine Wurzeln habe) und Rems-Murr (Waiblingen). Weitere große Streuobstwiesenvorkommen liegen in der Region Neckar-Alb mit den Landkreisen Reutlingen, Tübingen und Zollernalbkreis (Balingen). Vom Landkreis Göppingen ausgehend zieht ein Streuobstgürtel als größtes Streuobstgebiet Europas mit 100000 ha Fläche entlang des Albtraufes über die Landkreise Esslingen, Reutlingen, Tübingen bis hinunter zum Zollernalbkreis.
Der Vater Friedrich von Schillers (1759-1805), Johann Caspar Schiller (1723-1796), Offizier und Hofgärtner des Herzogs Carl Eugen von Württemberg), zog vor über 200 Jahren auf dem Gebiet des heutigen Landkreises Ludwigsburg Obstbäume in großer Zahl, womit er den Grundstein für die unglaublich großen Streuobstwiesenbestände dieser Region legte, welche als "Wiege des Streuobstbaus" bezeichnet werden kann.
Auch heute noch besitzt jeder bodenständige Schwabe ein "Baumstückle" oder "Gütle", für welches er ganz alleine verantwortlich ist und welches er bewirtschaftet. Kooperativen (sie gibt es allenfalls zur Obst- und Saftvermarktung) sind dem liberalen Schwaben fremd und Interessengemeinschaften zur Pflege und zum Erhalt von Streuobstwiesen, wie sie gerne von Naturschutzbünden initiiert werden, ebenso, weil es in fast jeden Ort einen "Obst- und Gartenbauverein" gibt, in welchem sich die "Stückles- und Gartenbesitzer" zusammenfinden. Als Beispiel nenne ich den "Obst- und Gartenbauverein Leutenbach" (http://www.ogv-leutenbach.de), dessen Mitglied ich bin. Ost- und Gartenbauvereine stehen "Stückles- und Gartenbesitzern" mit Rat und Tat zur Seite, unterhalten meist auch einen "Obst- und Beerenlehrgarten", bieten Fortbildungskurse an u.v.a.m.
Anders als in Niedersachsen (siehe unten) sind in Baden-Württemberg "schaffige" Fremde als Grundstücksbesitzer sehr willkommen: Kauft im "Ländle" ein "Reigschmeckter" (Zugezogener) eine Streuobstwiese oder einen Weinberg, so geht die Bemerkung durch das Dorf, "des lean mir ons gfalla, des isch a rechter Kerle, dem gfällts scheins bei ons" (für Nichtschwaben: "das lassen wir uns gefallen, das ist ein rechter Kerl, dem gefällt es scheinbar bei uns"!).
In Niedersachsen indessen kommen Streuobstbestände traditionell vergleichsweise selten vor, was wohl auf eine völlig andere Struktur der Landwirtschaft und auch der Bevölkerung in früherer Zeit zurückzuführen ist. Jedoch auch während der vergangenen drei Jahrzehnte, während dieser in Baden-Württemberg ein Aufblühen der Streuobstbestände festzustellen ist (siehe unten bei "Geschichte der Streuobstwiesen am Beispiel Baden-Württembergs, letzter Absatz), waren und sind in Niedersachen keine nennenswerten Neuanlagen von Streuobstwiesen zu verzeichnen. Im Gegenteil: Ich hatte erhebliche Probleme mit dem Landkreis Peine, "meine" Streuobstwiese anlegen zu dürfen. Davon ausgehend, dass Obstbäume wesentlich zur Verbesserung der Umwelt betrügen, pflanzte ich, ganz Schwabe, zunächst 6 Kirschbäume, weitere Bäume sollten folgen. Der Landkreis bekam Wind davon und bestand großzügig nicht auf der Entfernung der 6 Kirschbäume, jedoch dabei sollte es bleiben. Mehr gehe nicht. Mein Einwand, Obstbäume verbesserten die Umwelt, ließ man nicht gelten. Nach heftigem Widerspruch von mir ließ die Umweltbehörde es schließlich zu, mein Projekt zu verwirklichen.
So entstand am Ende eine Streuobstwiese mit 50 Obstbäumen.
Ich führe dies einerseits auf ein fehlendes Fachwissen, aber auch auf Desinteresse sowohl in der breiten Bevölkerung als auch bei Landwirten sowie bei Behörden, und andererseits auf die großflächige Landwirtschaft, vor allem aber auf die für einen Schwaben fremde und aus meiner Sicht antiquierte Einrichtung der sogenannten "Realgemeinden" zurück (ich gehöre durch Grundbesitz auch zu einer solchen), in welchen ich "Parallelgemeinden privilegierter Altbürger" zu den politischen Gemeinden sehe. Anders als in Baden-Württemberg hat in Niedersachsen der "private" Grundstücksbesitzer aus sich heraus selten Interesse an der Anlage und Pflege einer Streuobstwiese, sondern stellt allenfalls sein Grundstück irgend einer Interessengemeinschaft oder Kooperative zur Verfügung, welche dann die Pflanzungen vornehmen und nachfolgend sich mehr oder minder um die Pflege kümmern. Gelegentlich werden Streuobstwiesen auch von Realgemeinden oder im Rahmen sogenannter Ausgleichsmaßnahmen von kommunaler Seite angelegt, welche Bestände anschließend meist vergammeln, zumindest nicht die gebotene Pflege erfahren. Es ist nur wenigen Menschen, selbst Naturschutzbünden oder Behörden (siehe "Ruf des Nordens 2008 - Teil III-Situation vom 28. Juli bis zum 3. August, Am Bienenstand, 4. Absatz ff"), hier in Niedersachsen bekannt, dass der Pflegeaufwand für Streuobstwiesen nicht gering ist. Deshalb vertrete ich die Auffassung, dass Streuobstwiesen vorrangig in private Hand gehören! Anders als in Baden-Württemberg, wo man erst als Grundbesitzer richtig "dazu" gehört (siehe oben), ist es in Niedersachsen für "Zugezogene" ungemein schwer, außerorts eine Fläche zur Anlage einer Streuobstwiese zu erwerben, weil die Mitglieder der oben erwähnten Realgemeinden in der Regel unter sich bleiben wollen und dem Zugang Fremder durchaus negativ gegenüber stehen. Aber auch in Schweden ist es für einen Fremden um ein Vielfaches leichter, einige Hektar Wald samt Jagd- und Fischrechte zu kaufen, als in Niedersachsen eine saure Wiese zu erwerben. Auch im hohen Norden Europas gilt man erst dann als "angenommen", wenn man "Markäggare" ("Grundbesitzer") ist.
Zu all dem kommt erschwerend hinzu, daß niedersächsische Baubehörden Anträge auf Errichtung von Hütten zur leichteren Bewirtschaftung von Streuobstwiesen (Unterbringung von Geräten, vorübergehende Lagerung von Obst usw.) in aller Regel negativ bescheiden. So lehnte der Landkreis Peine es ab, mir auf einer gut 10 km von meinem Wohnort gelegenen Streuobstwiese mit einem Bestand von 98 Bäumen, welche mir der Landkreis zur Pacht anbot, ein Gerätehäuschen von max. 14m³ Rauminhalt zu genehmigen. In Baden-Württemberg indessen werden sogenannte "Geschirrhütten" bis zu einem Raumvolumen von max. 20 m³, so diese nicht "dem angenehmen Aufenthalt" dienen, ausnahmslos genehmigt. Es wird damit insbesondere auch Menschen ohne Möglichkeit zur Unterbringung von Geräten die Bewirtschaftung einer Streuobstwiese erleichtert. (Zur Situation in Baden-Württemberg siehe „Streuobstwiesenbörse“ bei Google, zur Situation in Niedersachsen siehe meine Ausführungen bei Ruf des Nordens 2008, Teil III , Situation vom 28. Juli bis zum 3. August, Am Bienenstand, 4. Absatz ff .)
Ich hatte das große Glück, von einem Landwirt drei Parzellen mit insgesamt ca. 0,7 ha erwerben zu können. Auf einer Waldparzelle mit 2700 qm steht mein Bienenhaus, aus einer Wiesenparzelle mit 2200 qm entstand...
auf welcher ich Süßkirschen- Äpfel- Birnen- und Pflaumenbäume überwiegend alter aber auch einiger neuer, sehr bewährter Sorten pflege. An dieser Stelle möchte ich bemerken, dass es viele neue (nicht "neumodische") Sorten gibt, welche hinsichtlich ihrer Resistenz gegen Krankheiten und ihrer Fruchtgüte einigen alten Sorten überlegen und deshalb auch in Streuobstbeständen anbauwürdig sind! Ich nenne beispielsweise die an der Universtät Stuttgart-Hohenheim im Jahre 1981 entstandene Zwetschge Jojo, welche ihrer Scharkaresistenz und Fruchtgüte wegen sehr anbauwürdig ist oder die 1960 in Baden gefundene Kirsche "Dollenseppler" welche zum Streuobst 2000 des Landes Baden-Württemberg gekürt wurde. Man sollte also von dem Irrglauben abkommen, dass nur Altes gut ist! Im Herbst 2009 kamen die ersten Kirschbäume in die Erde, seit November 2011 ist die Wiese voll mit Bäumen bestanden:
Süßkirschen
(Reifezeiten der Kirschen: Die dritte Maidekade entspricht der ersten Kirschenwoche)
Äpfel
Birnen
Zwetschgen
(Die Bäume stammen von der empfehlenswerten Baumschule Müller in Ludwigsburg-Poppenweiler.)
Mit meinem Vorhaben möchte ich einen Beitrag zum Natur- und Umweltschutz meiner Wahlheimat leisten, in der Hoffnung, viele Nachahmer zu
finden.
An dieser Stelle geht auch ein großes Dankeschön an die Jagdgenossenschaft Peine-Stederdorf, welche mir die Kosten der Obstbäume sowie der Baumpfähle erstattete! Mit dieser unerwarteten Geste hatte
ich nicht gerechnet!
DIE UNTERE NATURSCHUTZBEHÖRDE DES LANDKREISES PEINE stellte sich bekanntlich gegen die Anlage einer Streuobstwiese auf meinem Grundstück. Nach einem schon recht harten Kampf konnte ich die Behörde vom Sinn eines solchen Refugiums an dieser Stelle überzeugen und dafür gewinnen, dass auf dem vorderen Teil des gesamten Gebietes von mehreren ha Fläche Streuobst gepflegt werden kann. Und weil ich es beigebracht bekam auch danke zu sagen: Danke, Untere Naturschutzbehörde des Landkreises Peine!
So entwickelte sich aus meinem Wunsch nach einer eigenen Streuobstwiese das von Ortsbürgermeister Gustav Kamps mit initiierte, von mir organisierte und von der Jagdgenossenschaft Stederdorf finanzierte (Kostenübernahme der Bäume und Baumpfähle)
An dieser Stelle möchte ich Gustav Kamps danken, der (fast) alle Grundstücksbesitzer der Flur Trentelmoorfeld dafür gewinnen konnte, ihre Flächen zur Verfügung zu stellen. Hinsichtlich der Pflegearbeiten haben Herr Kamps und ich Arbeitsteilung in der Weise vereinbart, dass Herr Kamps die Wiesen mäht und ich die Bäume pflege.
Auf der Wiese meines rechten Grundstücksnachbarn, Herrn Kamps, pflanzte ich mit Unterstützung durch Herrn Kamps am 2./3. Dezember 2011 je 2 Kirschen-, Zwetschgen-, Birnen- und Apfelbäume (ebenfalls von der schwäbischen Baumschule Müller):
Süßkirschen
Äpfel
Birnen
Zwetschgen
Im dritten Abschnitt brachte ich am 27. Februar 2012 auf der Wiese meines linken Grundstücksnachbarn, Herrn Decker, weitere 8 Obstbäume (Baumschule Müller) in den Boden:
Süßkirschen
Äpfel
Birnen
Zwetschgen
Den vierten Abschnitt, Grundstückseigentümer Fam. Giere, mit 15 Bäumen vollendete ich im November 2013.
Süßkirschen
Sauerkirsche
Äpfel
Birnen
Zwetschgen
Der Gesamtbestand der Streuobhstwiese beträgt im November 2013 50 Obstbäume.
Als vorläufig letzter Abschnitt sollen im Herbst 2014 10 Bäume in den Boden kommen, so dass danach der Gesamtbestand bei 60 Hochstämmen liegen wird.
Streuobstwiesen sind mit Hochstamm-Obstbäumen aller Obstarten (Äpfel, Birnen, Kirschen, Zwetschgen, Walnüsse usw.) bestandene Wiesen. Der ursprüngliche Sinn von Streuobstwiesen lag in deren Doppelnutzung zur Versorgung der Bevölkerung mit frischem Obst sowie mit Getränken einerseits und zur Futtererzeugung (Grünfutter, Heu und Öhmd/Grummet) samt Beweidung andererseits. Nach meiner Sicht erfüllen Streuobstwiesen eine Dreifachfachfunktion: Das Gras, so gewünscht, dem Vieh, die Obstblüte und das Obst dem Menschen (die Blüte natürlich auch als Bienenweide), und die Symbiose aus Wiese und Obstbäumen als Rückzugsgebiet für Flora und Fauna.
Der Pflegeaufwand für Streuobstwiesen ist nicht gering, weil ohne Pflegemaßnahmen die Bäume aus den Unterlagen Wildwuchs bilden und in den Kronen vergreisen, wodurch ihre Vitalität und Lebensdauer stark vermindert wird. Zusammen mit einer Vernachlässigung der Wiesenflächen mit schließlicher Verbuschung verlieren die Streuobstwiesen insgesamt ihren Charakter als solche und damit ihren ursprünglichen Sinn! Alle an der Anlage einer Streuobstwiese Interessierten möchte ich deshalb darauf hinweisen, dass die Anlage einer Streuobstwiese in einem Herbst erledigt werden kann, ihre sachgerechte Pflege indessen eine Lebensaufgabe für Generationen ist. Als Richtschnur für die Pflege des Baumbestandes gilt:
- Pflanzschnitt (direkt nach der Pflanzung),
- Erziehungsschnitt (5 bis 8 Jahre lang jährlich zur Kronenformierung),
- Pflegeschnitt (ab ca. 8 Jahre) alle 2 bis 5 Jahre zur Auslichtung der Krone und zur
Entfernung von Konkurrenztrieben und von Totholz.
Die Wiese sollte, entsprechend der Heu- und Grummeternte, zweimal im Jahr gemäht werden, zumal nur so eine artenreiche Flora gefördert und erhalten werden kann.
Der Einsatz synthetischer Behandlungsmittel ist im Streuobstanbau tunlichst zu vermeiden.
Hochstamm-Obstbäume als Alleen-Bäume sind den Streuobstbeständen zuzuordnen. (Wegen ihrer weit positiveren ökologischen Bilanz als Eichen, Buchen, Birken usw. sind Obstbäume als Strassenbegleitbäume vorzuziehen. In Baden-Württemberg ist dies selbstverständlich, in Niedersachsen eher eine Seltenheit. Hier werden Birken und Eichen bevorzugt, welche Arten für Honigbienen und Wildbienen nahezu ohne Wert sind. So ersetzt der Landkreis Peine seit geraumer Zeit in meinem Nahbereich abgehende Pflaumenbäume durch Eichen.)
Nach den Richtlinien für die Förderung von Streuobstwiesen des Landes Baden-Württemberg müssen die Hochstämme eine Stammhöhe (vom Boden bist zum ersten Astkranz gemessen) von mindestens 1,40 m ausweisen, die Zahl der Bäume soll ca. 100 je Hektar Fläche betragen (https://www.landwirtschaft-bw.info/servlet/PB/show/1310379/Streuobstbroschre_August_2010.pdf), nach den Empfehlungen der "Obstbauberatung Baden-Württemberg" bis zu 150 je Hektar Fläche.
Der Anbau von Obstbäumen (und Weinstöcken) im Südwesten Deutschlands geht auf die Römer zurück. Unter der einheimischen Bevölkerung wuchs das Interesse an den köstlichen Früchten mehr und mehr, so daß deren Anbau übernommen und schließlich zum Allgemeingut wurde. Mit der Entstehung der Klöster und deren Entwicklung wurde der Obstanbau innerhalb der Klostergüter professionalisiert, die Obstgärten der Klöster wurden von den karolingischen Kammergütern übernommen. Aus beiden zusammen entwickelten sich schließlich Vorbilder für die Anlage von Obstgärten durch die Allgemeinheit. Waren die Obstgärten jener Zeit innerhalb eingefriedeter Bereiche oder innerhalb der Hausgärten angelegt, so verlagerten sich die Obstanbauflächen ab dem 15. Jahrhundert, angeordnet von den Landesherren, allmählich auch in Außenbereiche. Damit war der Grund weg von der reinen Selbstversorgung hin zu einer wirtschaftlichen Nutzung gelegt. Durch die Auswirkungen und Folgen des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) kam der Obstanbau nahezu zum erliegen. Ab dem 18. Jahrhundert, insbesondere unter Herzog Carl Eugen (1728 bis 1793), wurde auf der Grundlage herzoglicher Generalskripte mit der Neuanlage von Obstgärten begonnen. Als besonderer Förderer der Obstbaumwiesen und auch der Obstbaum -Alleen ist König Wilhelm I. von Württemberg (1781-1864) zu nennen, dem die Doppelnutzung der Baumwiesen zur Versorgung der Bevölkerung mit frischem Obst und mit Getränken und in gleichem Maße auch zur Futtererzeugung (Grünfutter, Heu und Öhmd/Krummet) samt Beweidung ein Anliegen war.
Allmählich entwickelte sich um die Dörfer ein Kranz von Baumwiesen, wie ich sie aus meiner Jugend noch sehr gut in Erinnerung habe und wie sie heute noch teilweise vorgefunden werden, so diese nicht der Bebauung zum Opfer fielen. Althergebracht war das Umland schwäbischer Dörfer in drei Zonenringe gegliedert: Im ersten Ring befanden sich die sogenannten "Stückle" oder "Krautgärten", es folgte der große Ring der "Baumstückle" oder "Gütle" genannten Baumwiesen, im dritten Ring gewissermaßen lagen die Acker- und Wiesenflächen, wobei in geographisch ungünstigen Lagen oder in aufgelassenen Weinbergen des dritten Ringes auch Baumwiesen angelegt waren, welche in aller Regel bis heute erhalten sind. Als Strassenbegleitbäume kamen und kommen heute wieder nur Obstbäume in Betracht! Klimatisch und geologisch günstige Lagen waren und sind bis heute dem Weinbau vorbehalten. Nach dem 2. Weltkrieg nahm der Streuobstwiesenbestand merklich ab. Die Umstellung auf leichter zu bewirtschaftende Obstanlagen mit Niederstämmen, Buschbäumen und Spalieren wurden aus Landesmitteln gefördert. Ende der Achtzigerjahre war der Baumbestand von rd. 18 Mio im Jahre 1965 auf etwas über 11 Mio gesunken. Noch rechtzeitig besannen sich sowohl die Landesregierung als auch die Besitzer der Streuobstwiesen des ökologischen und kulturellen Wertes sowie zunehmend auch des wirtschaftlichen Nutzens (zum Beispiel durch die Erzeugung von Säften, auch auf genossenschaftlicher Basis) der Streuobstwiesen, worauf eine Umkehr der Förderpraxis in der Weise einsetzte, dass seitens des Landes derzeit ca. 10 Mio Euro jährlich zum Erhalt und zur Neuanlage von Streuobstwiesen zur Verfügung gestellt werden. Viele baden-württembergischer Kommunen verfügen über ein eigenes (ergänzendes) Förderprogramm und unterhalten zudem eine Streuobstwiesenbörse. (Siehe „Streuobstwiesenbörse“ bei Google.)
Streuobstwiesen zählen zu den besonders wertvollen Lebensräumen in der Kulturlandschaft Mitteleuropas. Als Rückzugsgebiete für mehr als 5000 Tier- und Pflanzenarten dienen sie wie kaum ein anderer Landschaftstyp dem Artenschutz, was sich aus dem Zusammenspiel von Bäumen und Wiesen erklärt. Diese Naturrefugien bieten der Fauna und der Flora des Waldes wie des freien Feldes Heimat. Wegen ihres reichen Vorkommens von Insekten und anderen Beutetieren und wegen der in und an alten Bäumen häufig anzutreffenden Höhlen und sparrigen Baumkronen bieten Altbestände vielen Vogelarten, wie
*Halsbandschnäpper (Ficedula albicollis),
*Gartenbaumläufer (Certhia brachydactyla),
*Dompfaff (Gimpel) (Pyrrhula pyrrhula),
*Neuntöter (Lanius collurio),
*Sumpfmeise (Poecile palustris),
*Stieglitz (Carduelis carduelis),
*Wiedehopf (Upupa epops),
*Rotkopfwürger (Lanius senator),
*Pirol (Oriolus oriolus),
*Gartenrotschwanz (Phoenicurus phoenicurus),
*Feldsperling (Passer montanus),
*Rotkopfwürger (Lanius senator),
*Spechte (Picidae),
*Eulen (Strigiformes),
*Greifvögel (Falconiformes) und
*Rabenvögel (Corvidae)
einen ausgezeichneten Lebensraum.
Neben häufig vorkommenden Kleinsäugern, genannt seien
*Fledermäuse (Microchiroptera),
*Gartenschläfer (Eliomys quercinus),
*Mauswiesel (Mustela nivalis),
*Siebenschläfer (Myoxus glis),
finden in extensiv bewirtschafteten Streuobstwiesenbeständen auch größere Säugetiere, wie
*Kaninchen (Oryctolagus cuniculus),
*Hasen (Lepus europaeus) und
*Rehe (Capreolus capreolus),
insbesondere zur Jungtieraufzucht ideale Bedingungen.
Es ist nachgewiesen, dass die Artenvielfalt in Streuobstwiesen beispielweise bei Spinnentieren um ca. 85%, bei Laufkäfern um rund 50% und bei Fluginsekten um das etwa Sechsfache über jener in intensiv bewirtschafteten Obstplantagen liegt. Als Imker darf ich auf den Wert der Streuobstwiesen für unsere Honig- und Wildbienen besonders hinweisen.
Eine besondere Bedeutung kommt den Streuobstwiesen im Klima- und im Wasserschutz sowie im Lärmschutz zu. Insbesondere an Hanglagen wirken sie der Bodenerosion entgegen. Mit ihrer Produktion von Sauerstoff , Frischluft und mit ihren naturbelassenen Früchten leisten sie einen beachtlichen Beitrag zur Gesundheitsvorsorge; zudem beeinflußt ihr Blütenflor die Psyche des Menschen in höchst positiver Weise. Ihr Erholungswert ist beachtlich.
Nicht zu vernachlässigen ist der Wert von Streuobstwiesen als Genreservoir alter, vitaler und erhaltenswerter Obstsorten, die an Geschmack und Inhaltsstoffen dem teilweise "langweilig" schmeckenden "Plantagen-Obst" weit überlegen sind. In Obst aus Streuobstbeständen kann durchaus eine Antwort auf das Streben gesundheitsbewußter Menschen nach bekömmlichem und vor allem unbelastetem Obst und nach gesunden Obstsäften gesehen werden.